Liebe Angehörigen und Freunde von Dieter Walleit, heute nehmen wir Abschied von Dieter.
Als Sohn seiner Lebensgefährtin war ich in den letzten Jahren gemeinsam mit meiner Frau sehr regelmäßig bei ihm und auch seine letzten Besucher im Krankenhaus waren wir beide.Und wir haben gerade in den letzten Wochen und in seinen letzten Stunden erlebt, was für ein besonderer Mensch er war. Aber zunächst zurück zu den Anfängen. Dieter haben wir, meine Frau, meine Kinder und ich erst spät, nämlich im Jahr 2001 kennen gelernt. Dazu komme ich später.
In seiner Kindheit, Jugend und als erwachsener Mann standen der Sport und später auch die Musik im Mittelpunkt seiner Interessen. Judo, Skifahren und CVJM waren seine damaligen Betätigungsfelder, davon rühren viele Bilder, die er in seiner Wohnung aufhob. Unter den hier Anwesenden sind Freunde, die Ihn noch als jungen Mann aus seiner aktiven Zeit beim Tischtennis in Düsseldorf kennen, den er über Jahrzehnte maßgeblich geprägt hat. Zunächst als Jugend Trainer in den 60er Jahren mit ersten Erfolgen, gründete er vor genau 50 Jahren, im Mai 1970 mit Freunden den TTC Schwarz-Gold von 1970 Düsseldorf-Wersten. Ein Gründungsmitglied ist mit Joachim Breitbach heute unter uns – das wird Dieter sehr freuen, schließlich verband die beiden eine Freundschaft, auch über die sportliche Zeit hinaus. Für Dieter war dieser Verein seine Familie. Eine eigene Familie mit Frau und Kindern war ihm verwährt. Aber dieser Verein – das war seine Leidenschaft, sein Leben über Jahrzehnte. Und so wurde er schließlich auch zum Ehrenmitglied dieses Vereins und Träger der Goldenen Ehrennadel des Westdeutschen Tischtennisverbandes.
Vielseitige Interessen
Und es verwundert nicht, dass mir vor Jahren bei seinem Umzug aus Wersten nach Willich Berge von Dokumenten, insbesondere – vermutlich sämtliche – Spielberichte aus den damaligen Meisterschaftsspielen in die Hände fielen. Aber das Tischtennisspiel war nicht alles. Dieter war stets ein sehr interessierter und wissbegieriger Mensch. Neben dem allgemeinen Sport, z.B. Fußball – zur Bundesliga und insbesondere zur Fortuna hatte er stets einen Kommentar parat – waren es auch weltliche und religiöse Interessen. Wenn er einmal loslegte, glichen seine Sätze einem Vortrag und er referierte über „Gott und die Welt“ wie man so sagt. Er spann den Bogen von Völkerwanderungen und Eroberungszügen, landesspezifischen Kenntnissen bis hin zum chinesischen Horoskop: ob Ratte, Drache, Schlange, Pferd – er wusste um die Bedeutungen. Er recherchierte Geburtstage und ergründete mit Kenntnis des Wochentags und der Geburtsstunde die beeinflussenden Tiere, die das persönliche Wesen des jeweiligen Menschen ausmachen. Noch am Wochenende fiel mir ein von Dieter handschriftlich verfasster Zettel in die Hände, wo er von 16 Familienmitgliedern meiner Mutter Geburtsdaten und Wochentage vermerkt hatte. Die Frage nach dem Woher und Wohin hat Dieter ein Leben lang bewegt. Geprägt von seiner schwierigen Kindheit bei einer Pflegemutter, der fehlenden Zuneigung seiner leiblichen Mutter, die immer wieder umzog, ohne dass Dieter wusste wohin, und er sie suchen musste, bis hin zu der nie beantworteten Frage, wer sein Vater war – außer die Vermutung, er sei ein französischer Soldat gewesen – all das hat das Wesen von Dieter geprägt und auch manche seiner Eigenheiten erklärt.
Speziell
Ja sehr speziell war er – in dem was er manchmal tat, was er dachte, wie er sich kleidete, was er sammelte – und das war fast unerträglich viel, wenn man jetzt seine Wohnung räumen muss und in Wersten schon einmal musste – bis hin zu seinem sehr eigenwilligen Erscheinungsbild mit langem Zopf und in früheren Jahren auch Rauschebart:Er gefiel sich in seinem „anders sein“ und er stand dazu. Es war seine Art – auf sich aufmerksam zu machen, Anerkennung und Zuneigung zu erhalten.Er wurde oft belächelt und sicher auch als Spinner abgetan – da bin ich mir sicher – aber wenn man um all diese persönlichen Hintergründe weiß, dann wird ein neues, ein respektvolles und anerkennendes Bild daraus.Es ist vieles in seinem Leben bemerkenswert: Seine Leidenschaft zur Musik begann spätestens als junger Maschinenschlosser bei der Düsseldorfer Firma Jagenberg durch seinen damaligen Kollegen Erich Baum. Beide kamen ins Gespräch, nachdem Dieter von dem berühmten italienischen Sänger Caruso schwärmte.Erich Baum sagte: das kann ich auch und Dieter fragte ungläubig nach. Diese Begegnung hat sein weiteres Leben maßgeblich gelenkt. Erich Baum nahm damals Gesangunterricht und nahm Dieter noch am gleichen Abend mit. Dieter schaffte es mit diesem späten Gesangunterricht tatsächlich zu öffentlichen Auftritten – was höchst erstaunlich ist und er sang die berühmtesten Arien rauf und runter, machte eigene Tonaufnahmen von sich in der Sporthalle. Dieser Zugang zur Musik war auch der Zugang zu einer Liebelei mit einer jungen Sängerin:Christa Baum – die damalige Frau von eben erwähntem Erich Baum.Aber eine dauerhafte Beziehung ergab sich nicht – aber seine Zuneigung zu dieser Frau – übrigens meine Mutter – heutige Christa Konnertz – währte ein Leben lang.
Verlässlich, treu
Es hat mich sehr bewegt – das Bild meiner Mutter als junge Frau bei der Wohnungsauflösung in Wersten in Dieters Küche hängen zu sehen – dazwischen lagen etwa 50 Jahre. Ja, 2001 ist auch bemerkenswert, denn im Herbst, nach dem Tod meines Vaters, kam es zum Wiedersehen von Christa und Dieter. Daraus erwuchs ein spätes Glück und beide blieben bis zum Schluss ein Paar, unternahmen Reisen, solange die Gesundheit es zuließ. Der November 2013 allerdings war ein tragischer Monat für Dieter: seine Zuckerkrankheit nahm ihm sein rechtes Bein und fortan fand er in einem Seniorenheim in Willich in einer barrierefreien Wohnung ein neues Zuhause. Er lebte sich schnell ein und erhielt sich seine Selbstständigkeit bis kurz vor seinem Tod. Er kümmerte sich weiter liebevoll und mit Ausdauer um meine Mutter, auch wenn ihre zunehmende Demenz ihm viel Geduld abforderte. Er arrangierte sich mit seiner Körperbehinderung und zu keinem Zeitpunkt hörte man ihn klagen. Er ertrug sein Schicksal und blieb bis zuletzt seinem Wesen treu: eigenwillig – auch eigensinnig – aber eben auch verlässlich, treu, fürsorglich, fröhlich und liebenswert.
Sein Gesang wird fehlen
„Sein schöner Gesang wird uns fehlen“ so die ersten Reaktionen im Seniorenheim nach Bekanntwerden seines Todes. Manches mal haben meine Frau und ich mit ihm gerungen um seine Ansichten und Entscheidungen aber unser Respekt und Dankbarkeit waren dabei immer auch Teil unserer Beziehung. Und so wollen wir gemeinsam Abschied nehmen von Dieter, ihm eine gute Reise wünschen, wo immer sein lebenslanges Suchen ihn jetzt hinführt und hoffen, dass es das findet, was ihn für immer glücklich macht.